Das Mönchengladbacher Erzählcafé e.V.
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Ein Beitrag von Sigrid Verleysdonk-Simons aus der Festschrift zum 10jährigen Bestehen des Mönchengladbacher Erzählcafés im Juli 2007 |
10 Jahre Mönchengladbacher Erzählcafé
"Die Monate haben es eilig,
die Jahre haben es eiliger und die Jahrzehnte haben es am eiligsten. Nur die Erinnerungen haben Geduld mit uns."
So formulierte einst Erich Kästner und trifft damit genau das Gefühl, das mich zurzeit bewegt, wenn ich auf zehn zurückliegende Jahre und mittlerweile 100 Veranstaltungen des Mönchengladbacher Erzählcafés zurückblicke.
Die Zeit ist wie im Flug vergangen und ich bin sehr stolz darauf, von Anfang an dazugehört zu haben. Es ist ein schönes Gefühl, so viele Menschen kennen gelernt zu haben, Mitstreiter, Weggefährten, Förderer und sicherlich viele Freunde gefunden zu haben, die die Idee des Erzählcafés für gut befanden und uns durch ihr Interesse und ihre Unterstützung so viele Jahre getragen haben.
Rückblick
Besondere Erwähnung muss vor allem unser Impulsgeber finden - ohne ihn wäre das Erzählcafé nicht auf den Weg gebracht worden: Herr Prof. Dr. Kerkhoff von der Hochschule Niederrhein, der im Rahmen seiner Lehrtätigkeit im Fachbereich Sozialwesen und als Leiter des Forschungsschwerpunktes "Kompetenz im Alter zwischen Routine und Neubeginn" zwei Studierenden der Sozialen Arbeit den Auftrag gab, das damals noch innovative Konzept des Erzählcafés in Mönchengladbach umzusetzen.
Sigrid Simons und Elke Schreur hießen die beiden, die den Auftrag in die Tat umsetzten und nicht mehr davon loslassen konnten, um im Jahre 1997 zusammen mit Sylvia Hofacker, Claudia Kewitz, Margarete Mahlfeld, Ursula Peters und Lena Pütz einen gemeinnützigen Verein zu gründen, um dem Ganzen einen würdigen Rahmen zu geben.
Wir bedauern sehr, dass unsere langjährige Vorsitzende Lena Pütz (94 Jahre) aus gesundheitlichen Gründen nun nicht mehr aktiv am Geschehen teilnehmen kann. Sie war über viele Jahre unser ruhender Pol und hat mit ihrem unerschöpflichen Vertrauen an das Gute unserer Arbeit uns im Weitermachen bestärkt und unterstützt.
Das freie Vortragen von Gedichten aus dem 20. Jahrhundert war ihre Leidenschaft, mit der sie das Publikum viele Jahre beeindruckte und erfreute. In Erinnerung an ihr Wirken möchte ich an dieser Stelle ein Gedicht ihrer Lieblingsautorin Hilde Domin zitieren.
"Das Gefieder
der Sprache streicheln. Worte sind Vögel, mit ihnen davonfliegen."
Jüngere und ältere Menschen versuchten und versuchen heute noch gemeinsam Begegnungsräume zu schaffen, in denen ein Dialog, ein Austausch miteinander möglich wird. Erinnerungsräume entstehen, die Zeiten wieder lebendig werden lassen, die uns etwas bedeutet haben, die uns verändert haben, die uns betroffen gemacht haben. Jede Lebensgeschichte eingebunden in eine bestimmte Zeit, zugehörig zu einem bestimmten Lebensraum wird geprägt durch vielfältige Daseinsthemen, die sich individuell auf den Einzelnen beziehen aber auch in Zusammenhang stehen mit kollektiven Erfahrungen.
In diesem Spannungsfeld bewegten und bewegen sich die Themen des Erzählcafés.
Vor fünf Jahren noch habe ich in der Festschrift an dieser Stelle die Entstehungsgeschichte, die Struktur, die Ziele und die Aufgaben des Erzählcafés beschrieben, fünf Jahre weiter bleibt zu fragen: Ist alles so geblieben oder hat sich etwas verändert?
Bewahren und Neues wagen
Auf beide Fragen möchte ich mit ja antworten, alles was wir damals beschrieben haben, ist so geblieben. Wir sind immer noch eine Gemeinschaft von jüngeren und älteren Menschen, die die Veranstaltungen des Erzählcafés organisieren, der Veranstaltungstag und die -zeit sind geblieben, es gibt immer noch als kulturellen Genuss Klavier oder Keyboardmusik in unseren Veranstaltungen, die meisten unserer Erzählcafés finden immer noch in den unterschiedlichen Altenzentren Mönchengladbachs statt, die Hochschule Niederrhein ist weiterhin unser Kooperationspartner und die Zusammenarbeit macht sehr viel Spaß.
Aber, wir sind routinierter und mutiger geworden, soviel Eigenlob darf sein. Unser Netzwerk ist gewachsen, unsere Partner (Altenzentren, Erzähler, Förderer) haben Vertrauen zu uns. Die Menschen, die unser Erzählcafé einladen oder die in unserem Erzählcafé Themen vorstellen, schätzen uns als verlässliche Partner, darüber freuen wir uns besonders.
Als wichtige Aufgabe sehen wir es an, den Erzählern einen Schutzraum zu gewähren und der Einzigartigkeit der Erfahrungen Wertschätzung entgegenzubringen.
Daher ist es immer eine Herausforderung Themen zu bearbeiten, bei denen ein solcher Schutzraum in Gefahr gebracht werden könnte. Das sind beispielsweise Inhalte, die sich auf traumatisierte, tabuisierte oder vorurteilsbehaftete Themen beziehen, hier bedarf es besonderer Empathie, eines besonderen Einfühlungsvermögens und einer engen Begleitung.
Dieser Herausforderung haben wir uns nun schon mehrmals gestellt und wollen dies auch weiterhin tun.
Treu geblieben ist uns auch unser Publikum, die Gäste des Erzählcafés, sie kommen immer noch in großer Zahl, hören mit Spannung den Erzählern zu, mischen sich ein, ergänzen oder hinterfragen auch kritisch, das so eben Gesagte. Anderen zuzuhören lässt uns teilhaben am Leben der anderen, lässt uns Mitgefühl erleben, Heiterkeit aber auch Ergriffenheit und Trauer.
Erinnerung ist immer emotionale Arbeit, für jeden individuell anders erlebt und verarbeitet.
Auch wenn nicht jeder Gast sich traut, vor anderen seine Meinung zu sagen, seine Erfahrungen mitzuteilen, so hoffen wir doch, einen Anstoß gegeben zu haben, über das eine oder andere Thema noch einmal nachzudenken, mit Freunden oder Angehörigen darüber ins Gespräch zu kommen.
Dabei spielt auch die musikalische Begleitung unserer Erzählcafés eine herausragende Rolle. Sie leitet die Erzählcafés ein, strukturiert die Erzählcafés, lässt Raum zum Nachdenken, Entspannen, Mitsingen, Mitsummen, Innehalten.
Menschen, die gerne erzählen, haben ein besseres Gedächtnis an Szenen von Kindheit, Jugend und Erwachsenenalter in ihrem späteren Alter - noch ein Grund mehr die Kultur des Erzählens zu pflegen. Simone de Beauvoir hat es 1977 so ausgedrückt:
"Das Leben behält einen Wert,
solange man durch Liebe, Freundschaft, Empörung und Mitgefühl am Leben der anderen teilnimmt. Dann bleiben auch Gründe, zu handeln oder zu sprechen."
Die Wissenschaftler haben schon lange erkannt, dass das Erinnern, das Erzählen über das gelebte Leben eine identitätsstiftende Wirkung hat und uns dazu verhilft zu erkennen, wer wir sind, wer wir einst waren und wer wir sein wollen.
Zukunftswünsche
Was wir bisher getan haben, das wissen Sie, was wir zurzeit tun, daran können Sie ebenfalls teilhaben, aber was sollen wir uns für die Zukunft vornehmen? Für dieses Gedankenspiel haben wir Unterstützer gefunden, nämlich Sie. Wir hatten mit unserer Einladung zum Jubiläum des Erzählcafés Wunschkarten verschickt. Hier konnten Sie folgende Aussagen machen: "Ich wünsche dem Erzählcafé für die Zukunft und ich wünsche mir vom Erzählcafé für die Zukunft."
"Werde alt - bleibe Jung"
(Gerda Adami)
Viele von Ihnen haben uns geantwortet und wir sind über so viele gute Wünsche sehr beeindruckt und vor allem sehr dankbar. Alle haben uns einhellig alles Gute für die Zukunft gewünscht, viele offene Zuhörer und Mitmacher, viele neugierige Besucher, viele gut organisierte Nachmittage mit Lesungen, Erzählungen, Musik, viele neue Referenten und Themen.
"Schau voraus in die Zukunft -
bewahre die Erinnerung" (Gerda Adami)
Ihre Wünsche an das Erzählcafé für die Zukunft sahen dann so aus: Neben exotischen Senioren, Abenteurern, Musikern, Dichtern, Sängern, die aus ihrem Leben erzählen, wünschten sie sich weiterhin Geschichten aus der Heimat und aktuelle Themen.
Ich hoffe, Sie finden es nicht überheblich, wenn ich daraus deutlich vernehme: Weiter so! Eine bessere Rückmeldung hätte es für uns nicht geben können.
Die Aktiven von heute
Nun zu den Menschen, denen Sie diese Botschaft haben zukommen lassen:Heute gehören zum ehrenamtlichen Organisationsteam des Erzählcafés Heinz Flesser (Klavier), Christel Kempkes (Kassenführerin), Heike Kivelitz, Günter Köntges (erweiterter Vorstand), Tanja Kulig, Waltraud Müller (erweiterter Vorstand), Käte Schreur (Schriftführerin), Albert Verleysdonk. Sie alle erfüllen vielfältige Aufgaben als Organisatoren, Medientransporteure, Themenfinder, Moderatoren, Netzwerker, Spendenanimateure, Photographen, Postversender, Flyerverteiler, Lektoren, Terminverwalter, Berichterstatter, öffentlichkeitsarbeiter, und und und ...
Danke
Im ersten Jubiläumsheft haben wir an dieser Stelle jeden einzelnen Namen genannt, der in den ersten fünf Jahren mit seinen Anregungen und Beiträgen unser Erzählcafé unterstützt hat. Das ist uns nach zehn Jahren nicht mehr lückenlos gelungen. Damit niemand vergessen wird, haben wir daher an dieser Stelle auf ein individuelles Dankeschön verzichtet.
Wir möchten uns bei Ihnen allen, bei Mitstreitern, Ideengebern, Förderern, Freunden, Gästen und Sponsoren ganz herzlich bedanken. Bleiben Sie uns gewogen.
Wir alle danken Ihnen für Ihre Wünsche für die Zukunft und freuen uns auf weitere viele Jahre, auf spannende Veranstaltungen und auf ein Wiedersehen im Mönchengladbacher Erzählcafé.
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