Mein Lieblingsmärchen
Unter diesem Titel fand am 27. Februar 2008 das Erzählcafe im Helmuth-Kuhlen- Haus in Mönchengladbach statt.
Bevor sich die Gäste ihre Lieblingsmärchen wünschen konnten, begann die Märchenerzählerin Anka Franken den Nachmittag mit zwei ihrer eigenen Lieblingsmärchen - "Die Sterntaler" und "Frau Holle".
Die Sterntaler von den Gebrüdern Grimm
Es war einmal ein kleines Mädchen, dem war Vater und Mutter gestorben,
und es war so arm, daßs; es kein Kämmerchen mehr hatte, darin zu wohnen,
und kein Bettchen mehr hatte, darin zu schlafen, und endlich gar nichts
mehr als die Kleider auf dem Leib und ein Stückchen Brot in der Hand,
das ihm ein mitleidiges Herz geschenkt hatte. Es war aber gut und
fromm. Und weil es so von aller Welt verlassen war, ging es im
Vertrauen auf den lieben Gott hinaus ins Feld. Da begegnete ihm ein
armer Mann, der sprach: "Ach, gib mir etwas zu essen, ich bin so
hungerig." Es reichte ihm das ganze Stückchen Brot und sagte: "Gott
segne dir's", und ging weiter. Da kam ein Kind, das jammerte und
sprach: "Es friert mich so an meinem Kopfe, schenk mir etwas, womit ich
ihn bedecken kann." Da tat es seine Mütze ab und gab sie ihm. Und als
es noch eine Weile gegangen war, kam wieder ein Kind und hatte kein
Leibchen an und fror: da gab es ihm seins; und noch weiter, da bat eins
um ein Röcklein, das gab es auch von sich hin. Endlich gelangte es in
einen Wald, und es war schon dunkel geworden, da kam noch eins und bat
um ein Hemdlein, und das fromme Mädchen dachte: "Es ist dunkle Nacht,
da sieht dich niemand, du kannst wohl dein Hemd weggeben", und zog das
Hemd ab und gab es auch noch hin. Und wie es so stand und gar nichts
mehr hatte, fielen auf einmal die Sterne vom Himmel, und waren lauter
blanke Taler; und ob es gleich sein Hemdlein weggegeben, so hatte es
ein neues an, und das war vom allerfeinsten Linnen. Da sammelte es sich
die Taler hinein und war reich für sein Lebtag.
Frau Holle von den Gebrüdern Grimm
Eine Witwe hatte zwei Töchter, davon war die eine schön und fleißig,
die andere häßlich und faul. Sie hatte aber die häßliche und faule,
weil sie ihre rechte Tochter war, viel lieber, und die andere mußte
alle Arbeit tun und der Aschenputtel im Hause sein.
Das arme Mädchen
mußte sich täglich auf die große Straße bei einem Brunnen setzen und
mußte so viel spinnen, daß ihm das Blut aus den Fingern sprang. Nun
trug es sich zu, daß die Spule einmal ganz blutig war, da bückte es
sich damit in den Brunnen und wollte sie abwaschen; sie sprang ihm aber
aus der Hand und fiel hinab. Es weinte, lief zur Stiefmutter und
erzählte ihr das Unglück. Sie schalt es aber so heftig und war so
unbarmherzig, daß sie sprach: »Hast du die Spule hinunterfallen lassen,
so hol sie auch wieder herauf.« Da ging das Mädchen zu dem Brunnen
zurück und wußte nicht, was es anfangen sollte; und in seiner
Herzensangst sprang es in den Brunnen hinein, um die Spule zu holen.
Es
verlor die Besinnung, und als es erwachte und wieder zu sich selber
kam, war es auf einer schönen Wiese, wo die Sonne schien und
vieltausend Blumen standen. Auf dieser Wiese ging es fort und kam zu
einem Backofen, der war voller Brot; das Brot aber rief: »Ach, zieh
mich raus, zieh mich raus, sonst verbrenn ich: ich bin schon längst
ausgebacken.« Da trat es herzu und holte mit dem Brotschieber alles
nacheinander heraus. Danach ging es weiter und kam zu einem Baum, der
hing voll äpfel, und rief ihm zu: »Ach, schüttel mich, schüttel mich,
wir äpfel sind alle miteinander reif.« Da schüttelte es den Baum, daß
die äpfel fielen, als regneten sie, und schüttelte, bis keiner mehr
oben war; und als es alle in einen Haufen zusammengelegt hatte, ging es
wieder weiter.
Endlich kam es zu einem kleinen Haus, daraus guckte eine
alte Frau, weil sie aber so große Zähne hatte, ward ihm angst, und es
wollte fortlaufen. Die alte Frau aber rief ihm nach: »Was fürchtest du
dich, liebes Kind? Bleib bei mir, wenn du alle Arbeit im Hause
ordentlich tun willst, so soll dir's gut gehn. Du mußt nur achtgeben,
daß du mein Bett gut machst und es fleißig aufschüttelst, daß die
Federn fliegen, dann schneit es in der Welt; ich bin die Frau Holle.«
Weil die Alte ihm so gut zusprach, so faßte sich das Mädchen ein Herz,
willigte ein und begab sich in ihren Dienst. Es besorgte auch alles
nach ihrer Zufriedenheit und schüttelte ihr das Bett immer gewaltig,
auf daß die Federn wie Schneeflocken umherflogen; dafür hatte es auch
ein gut Leben bei ihr, kein böses Wort und alle Tage Gesottenes und
Gebratenes.
Nun war es eine Zeitlang bei der Frau Holle, da ward es
traurig und wußte anfangs selbst nicht, was ihm fehlte, endlich merkte
es, daß es Heimweh war; ob es ihm hier gleich vieltausendmal besser
ging als zu Haus, so hatte es doch ein Verlangen dahin. Endlich sagte
es zu ihr: »Ich habe den Jammer nach Haus kriegt, und wenn es mir auch
noch so gut hier unten geht, so kann ich doch nicht länger bleiben, ich
muß wieder hinauf zu den Meinigen.« Die Frau Holle sagte: »Es gefällt
mir, daß du wieder nach Haus verlangst, und weil du mir so treu gedient
hast, so will ich dich selbst wieder hinaufbringen.« Sie nahm es darauf
bei der Hand und führte es vor ein großes Tor.
Das Tor ward aufgetan,
und wie das Mädchen gerade darunterstand, fiel ein gewaltiger
Goldregen, und alles Gold blieb an ihm hängen, so daß es über und über
davon bedeckt war. »Das sollst du haben, weil du so fleißig gewesen
bist«, sprach die Frau Holle und gab ihm auch die Spule wieder, die ihm
in den Brunnen gefallen war. Darauf ward das Tor verschlossen, und das
Mädchen befand sich oben auf der Welt, nicht weit von seiner Mutter
Haus; und als es in den Hof kam, saß der Hahn auf dem Brunnen und rief:
»Kikeriki, unsere goldene Jungfrau ist wieder hie.«
Da ging es hinein zu seiner Mutter, und weil es so mit Gold bedeckt ankam, ward es von ihr und der Schwester gut aufgenommen.
Das
Mädchen erzählte alles, was ihm begegnet war, und als die Mutter hörte,
wie es zu dem großen Reichtum gekommen war, wollte sie der andern,
häßlichen und faulen Tochter gerne dasselbe Glück verschaffen. Sie
mußte sich an den Brunnen setzen und spinnen; und damit ihre Spule
blutig ward, stach sie sich in die Finger und stieß sich die Hand in
die Dornhecke. Dann warf sie die Spule in den Brunnen und sprang selber
hinein. Sie kam, wie die andere, auf die schöne Wiese und ging auf
demselben Pfade weiter. Als sie zu dem Backofen gelangte, schrie das
Brot wieder: »Ach, zieh mich raus, zieh mich raus, sonst verbrenn ich,
ich bin schon längst ausgebacken.« Die Faule aber antwortete: »Da hätt
ich Lust, mich schmutzig zu machen«, und ging fort. Bald kam sie zu dem
Apfelbaum, der rief: »Ach, schüttel mich, schüttel mich, wir äpfel sind
alle miteinander reif.« Sie antwortete aber: »Du kommst mir recht, es
könnte mir einer auf den Kopf fallen«, und ging damit weiter.
Als sie
vor der Frau Holle Haus kam, fürchtete sie sich nicht, weil sie von
ihren großen Zähnen schon gehört hatte, und verdingte sich gleich zu
ihr. Am ersten Tag tat sie sich Gewalt an, war fleißig und folgte der
Frau Holle, wenn sie ihr etwas sagte, denn sie dachte an das viele
Gold, das sie ihr schenken würde; am zweiten Tag aber fing sie schon an
zu faulenzen, am dritten noch mehr, da wollte sie morgens gar nicht
aufstehen. Sie machte auch der Frau Holle das Bett nicht, wie sich's
gebührte, und schüttelte es nicht, daß die Federn aufflogen. Das ward
die Frau Holle bald müde und sagte ihr den Dienst auf. Die Faule war
das wohl zufrieden und meinte, nun würde der Goldregen kommen; die Frau
Holle führte sie auch zu dem Tor, als sie aber darunterstand, ward
statt des Goldes ein großer Kessel voll Pech ausgeschüttet. »Das ist
zur Belohnung deiner Dienste«, sagte die Frau Holle und schloß das Tor
zu. Da kam die Faule heim, aber sie war ganz mit Pech bedeckt, und der
Hahn auf dem Brunnen, als er sie sah, rief:
»Kikeriki, unsere schmutzige Jungfrau ist wieder hie.«
Das Pech aber blieb fest an ihr hängen und wollte, solange sie lebte, nicht abgehen.
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